Henri Rousseau - Der Traum

Fritz Fechdachs – Gefangen im Dschungel

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Wie jedes Jahr vor Schuljahresende stand der Klassenausflug der Klasse 10 des Hiltrud-Streber-Gymnasiums an.

Dieses Jahr hatte die Klasse entschieden, vom Geld der Klassenkasse einen Ausflug in den nahe gelegenen Urwald zu unternehmen.

Fritz Vater war Busfahrer bei den Stadtwerken. Im Bus von Fritz Frechdachs‘ Vater machte sich die Klasse auf die Reise.

Lehrer Hempel – Klassenlehrer der 10 – war bei den Schülern nicht sehr beliebt. Kaum hatten sie nach vielen Stunden Fahrt über staubige Pisten den Rand des Dschungels erreicht, beschloss die Mehrheit der Klasse zu meutern und sich Herrn Hempels zu entledigen. Kurzerhand wurde er aus dem Bus geschmissen: „Aua! Das werdet ihr büßen, ihr Strolche!“, waren seine letzten Worte.

Das Steuer und Kommando übernahm fortan Fritz.

Ankunft im Dschungel

Immer tiefer drangen sie in den Dschungel. Nach weiteren vielen Stunden Fahrt durch dichtes Gehölz erreichte die Klasse eine Lichtung im Wald. Da es schon spät war, beschloss die Klasse hier Halt zu machen. Die Kinder bauten die Zelte auf und entfachten ein Feuer.

Fritz spielte auf der Gitarre auf und alle sangen fröhliche Lieder: „Lustig ist das Zigeunerleben,
Faria, fariaho!“ Die Kinder hatten Gummibärchen mitgebracht und grillten diese nun am Lagerfeuer. Fritz: „Ich habe schon besser gegessen!“

Als die Uhr auf Mitternacht zuging, wurden selbst die aufgewecktesten Kinder müde. Es gab 10 Zelte. 9 Zelte für die Kinder und eines, das besonders groß war, für Herrn Hempel. Fritz war nun der Meinung, dass ihm als Anführer das große Zelt für die Nacht zustünde. Die anderen Kinder waren anderer Meinung. Jeder wollte in dem großen Zelt übernachten. Immerhin gab es darin auch einen tollen Camping-Kühlschrank mit kalter Cola und eine Komfort-Luftmatratze für einen bequemen Schlaf.

Der Streit

Da sich die Kinder nicht einigen konnten, entwickelte sich die Meinungsverschiedenheit zu einem Streit. Aus dem Streit wurde eine zünftige Rauferei. Im Verlauf der Rauferei kamen die ersten Zelte zu Fall: Erst eines, ein weiteres, dann alle. Fritz, der nicht einsehen wollte, dass er nicht im Premium-Chef-Zelt schlafen durfte, trat vor lauter Wut in das noch glimmende Feuer. Die umherfliegende Glut setzte alle Zelte sofort in Brand, auch das Lehrer-Hempel-Premium-Zelt. Und zu allem Überfluss ging der Bus in Flammen auf.

Da standen sie nun. Kein Bus. Kein Feuer. Dunkelheit. Kälte. Angst.

„Mir reicht‘s, ich geh jetzt nach Hause!“, sagte Fritz. Gesagt, getan. Fritz rief noch kurz: „Ciao Leute!“ zu den verdutzten Kollegen und machte sich auf den Weg. Wohin? Das wusste er selbst nicht.

Nach 3 Stunden Fußmarsch in den dunklen Wald hinein passierte es.

Der Professor

Professor Schnauzbart war ein zerstreuter Professor, der schon seit vielen Jahren ein Dasein als Einsiedler im Wald führte. Er war Experte für Pflanzen und Tiere, die er den ganzen Tag beobachtete. Kinder dagegen mochte er überhaupt nicht. Überhaupt war es ihm am liebsten, wenn er für sich alleine sein konnte und keine Menschen in „seinen“ Dschungel kamen.

Als die Klasse 10 im Wald ihr Lager aufgeschlagen hatte, hatte er das mit großem Missfallen beobachtet. Er war gerade dabei, einem seltenen Grashalm beim Wachsen zuzusehen, als die Kinder unweit von Ihm eintrafen.

„Wie werde ich diese Bengels und Gören am Besten wieder los?“, war sein erster Gedanke.

Während die Kinder am Lagerfeuer saßen, lag Schnauzbart unweit von der Gruppe in einem Gebüsch und beobachtete die Kinder. Zunächst wusste er nicht, was er tun sollte. Die Kinder waren offensichtlich gekommen, um zu bleiben.

Als er aber sah, wie der Streit um das Zelt entbrannte und schließlich Zelte und Bus in Flammen aufgingen, regte sich eine stille Freude in seinem Herzen (eine Freude, die sonst nur empfand, wenn er seltenen Grashalmen beim Wachsen zusah).

Die Falle

Als dann auch noch Fritz das Weite suchte, kam Herrn Schnauzbart eine Idee.

Fritz stolperte ohne rechten Plan durch den dichten Dschungel. Ohne dass er es bemerkte, hatte sich der Professor an seine Fersen geheftet.

In einem kleinen Beutel hatte Schnauzbart eine große Familie Kitzelkäfer (eine sehr seltene Käferart übrigens). Als der Professor nun ganz dicht hinter Fritz schlich und Fritz für eine kurze Pause innehielt, sah der Professor seine Chance gekommen: Er nahm die Familie Kitzelkäfer und steckte sie Fritz von hinten in den Hosenbund. Wie es der Natur der Kitzelkäfer entspricht, suchten diese sofort Schutz in Fritz‘ Po-Ritze, woraufhin Fritz fürchterlich zu lachen begann. Er wälzte sich auf dem Boden und krümmte sich vor Lachen: „Haha, hihi, hoho! Ich kann nicht mehr!“

Der Professor nahm nun ein Netz und warf es auf Fritz. Fritz war gefangen.

Fritz in Gefangenschaft

Der Professor hatte erkannt, dass Fritz der Anführer der Klasse war. Sein Plan: Fritz sollte die Gruppe aus dem Dschungel zurück in die Zivilisation führen. Ohne einen Anführer würde es sich der Rest der Klasse vielleicht für immer in seinem Dschungel gemütlich machen. Mit der Ruhe wäre es vorbei. Er musste Fritz nur ordentlich bearbeiten und ihm die Lust am Dschungel gründlich verderben. Gründlich!

Der Professor hielt Fritz in einem Käfig gefangen.

Der Professor Schnauzbart begann, Fritz aus seinen Büchern vorzulesen. Das waren nicht etwa Krimis oder spannenden Romane. Nein: der Professor hatte eine umfangreiche Bibliothek mit Büchern zu Flora und Fauna dieses Landstriches.

„Das Blaugras heißt Blaugras, weil es blau wächst. Es ist aber nur im Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November blau. Im Dezember blüht es orange. Kurz vor Ende der Blüte am 20. Dezember wechselt die Farbe nach violett. Dann wird es wieder blau. Uns so dreht es sich im Kreis…

Die Buntschnecke heißt Buntschnecke, weil sie bunt ist. Und wenn ich sage bunt, dann meine ich bunt: Blau kann sie sein, grün, rosa, braun, beige, gelb, …“

So ging das tagein, tagaus.

Zu essen bekam Fritz Gammelfrüchte. Für den Professor eine Delikatesse. Für jeden anderen Menschen ein Alptraum. Zu trinken gab es Pilzwasser: Das war die Flüssigkeit eines heimischen Baumschimmelpilzes. „Eigentlich zu schade für den Burschen!“ Fritz brachte die Brühe kaum runter.

Nach 2 Wochen dieser Marter schrie Fritz verzweifelt auf: „Aufhören! Ich weiß jetzt genug über Blaugras und Buntschnecken! Ich will nicht mehr! Auch die Verpflegung hier ist miserabel. Ich will nach Hause, lassen Sie mich gehen!“

Da trat ein breites Lächeln auf das Gesicht des Professors: „Junge, da lasse ich mich nicht zweimal bitten. Diesen Wunsch erfülle ich dir gerne. Sehr gerne. Geh nur zu deinen Kameraden und nimm sie alle mit. Und vor allem: kommt bloß nie wieder!“

Fritz war überglücklich.

Der Oldtimer

Die anderen Kinder waren in dem Glauben zurückgeblieben, Fritz habe es zurück nach Hause geschafft und würde ihnen Hilfe schicken. Geschlafen hatten sie unter freiem Himmel, als Decke dienten ihnen große Palmenblätter. In den zwei Wochen hatten sie sich von seltsamen Früchten ernährt – etwas gammelig im Geschmack. Sie hatten die Flüssigkeit eines Pilzes getrunken. Sie hatten sonst nichts Essbares gefunden. So was von ekelig! Sie hatten genug!

Als Fritz nun wieder im Camp auftauchte, war die Verwunderung zunächst groß unter den Kindern. Die Verwunderung schlug bald um in Angst. Denn: wer sollte nun Hilfe holen? Waren sie verloren? Verdammt auf ein Leben im undurchdringlichen Gehölz des Urwalds?

Doch Fritz konnte alle Sorgen zerstreuen: Unweit der Lichtung hatte er einen großen alten Oldtimer-Bus geparkt. Diesen hatte er vom Professor bekommen. Professor Schnauzbart hatte mit dem Bus vor vielen Jahren seine Habseligkeiten in den Dschungel verbracht. Und da er nicht vorhatte, seinen geliebten Wald jemals wieder zu verlassen, überließ er Fritz den Bus.

Obwohl der Bus übersäht war mit Roststellen und Mäuse an den Sitzen genagt hatten, sprang der Motor ohne zu murren an. Im Tank war genug Benzin für die Heimreise.

Unter den Kindern brach ein Freudentaumel aus. Sie lachten, sangen und tobten um den Bus herum.

Herr Hempel lebt

Auf Ihrer Rückreise durch den Dschungel trafen sie unterwegs Herrn Hempel. Er hatte sich in der Zwischenzeit einen langen Bart wachsen lassen und roch ein wenig unangenehm. Er hatte sich zwei Wochen von seltsamen Früchten ernährt – etwas gammelig im Geschmack. Und von einer Flüssigkeit einer merkwürdigen Pflanze getrunken. Würg. Ein Pilz? Egal.

Sie schlossen einander in die Arme. Alle müffelten ein wenig – aber wen kümmerte das?

Alle waren glücklich und zufrieden.

Auf der Heimreise sangen sie fröhliche Lieder: „Lustig ist das Zigeunerleben, …“

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